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Grieche sucht Griechin - Дюрренматт Фридрих - Страница 12


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Der Kunsthändler verzog sich zum dritten Mal.

Auch Archilochos wagte nun nichts mehr zu sagen. Passap trank Whisky, malte Winkel von 60°, Parabeln und Ellipsen, häufte Kobalt auf Ocker und Ocker auf Kobalt, und nach einer halben Stunde durfte sich der Generaldirektor anziehen.

«Hier«, sagte Passap und drückte ihm das Drahtgestell in die Arme,»stellen Sie das neben Ihr Ehebett, mein Hochzeitsgeschenk. Damit Sie sich der Schönheit Ihrer Braut erinnern, wenn sie verblüht. Und eines Ihrer Porträts schicke ich Ihnen zu, wenn es trocken ist. Und nun machen Sie, daß Sie fortkommen. Ich kann Weltkirchenräte und Generaldirektoren fast noch weniger leiden als Kunsthändler. Ihr Glück, daß Sie wie der griechische Kriegsgott aussehen, sonst hätte ich Sie schon längst hinausgeschmissen, nackt, das können Sie mir glauben!»

Nachdem Archilochos den Maler verlassen hatte, in einem Arm die weißen Rosen und im ändern das Drahtgestell, das seine nackte Braut darstellen sollte, traf er auf der schmalen und steilen Estrichtreppe, die eigentlich mehr eine Leiter war, den Kunsthändler Nadelör, unter dessen Nase sich nun Eisklumpen gebildet hatten und der sich, aufs jämmerlichste durchfroren im eisigen Zugwind, da oben an die Wand preßte.

«Sehen Sie«, klagte der Vereiste, fast unhörbar und wie aus einer Gletscherspalte heraus,»ich habe es mir gedacht. Sie haben etwas gekauft, ich protestiere.»

«Es ist ein Hochzeitsgeschenk«, erklärte Arnolph und begann vorsichtig die Treppe hinunterzusteigen, durch die Blumen und die Drahtplastik behindert, ärgerlich über sein unsinniges Abenteuer, war es doch bald neun Uhr; doch ließ die Treppe ein hastigeres Hinuntersteigen nicht zu.

Der Kunsthändler folgte ihm.

«Sie sollten sich schämen«, reklamierte Nadelör, soweit seine Worte überhaupt zu verstehen waren,»hörte, wie Sie zu Passap bemerkten, Sie seien Weltkirchenrat. Skandalös. Modell zu stehen in diesem Beruf! Splitternackt!»

«Darf ich Sie bitten, mir die Plastik zu halten«, bat nach einiger Zeit Archilochos notgedrungen (zwischen dem dritten und vierten Stockwerk, in der Nähe der immer noch kreischenden Frau und des johlenden Mannes),»nur einen Augenblick, ich bin mit dem Fuß durch die Treppe gebrochen.»

«Unmöglich«, hauchte Nadelör,»ohne Prozente rühre ich keine Plastik an.»

«Dann die Blumen.»

«Kann nicht«, entschuldigte sich der Kunsthändler,»meine Ärmel sind festgefroren.»

Endlich erreichten sie die Straße. Das Auto mit den Eiszapfen glänzte silbern. Nur der Kühler war eisfrei, und der Motor lief. Im Innern war es kalt, die Heizung sei nicht in Ordnung, erklärte der frierende Chauffeur.

«Boulevard Saint-Père 12«, sagte Archilochos, froh, seine Braut nun bald zu sehen.

Eben wollte sich der Wagen in Bewegung setzen, als der Kunsthändler an die Scheibe klopfte.

«Ich muß Sie bitten, mich mitzunehmen«, war aus der Eismasse undeutlich zu vernehmen, als sich Arnolph, der die Scheibe niederließ, dem schimmernden Gebilde entgegenneigte. Er sei unfähig, noch einen Schritt weiterzugehen, und in die Altstadt kämen selten Taxis.

«Unmöglich«, sagte Archilochos, er müsse dringend in den Boulevard Saint-Père und habe sich hier schon viel zu lange aufgehalten.

«Sie als Christ und Weltkirchenrat können mich doch nicht im Stich lassen«, antwortete Nadelör empört.»Ich beginne schon ans Trottoir anzufrieren.»

«Steigen Sie ein«, sagte Archilochos und öffnete die Wagentüre.

«Etwas wärmer hier, scheint mir«, meinte der Kunsthändler, als er endlich neben Archilochos saß.»Hoffentlich taue ich auf.»

Doch als sie in den Boulevard Saint-Père einbogen, war Nadelör noch nicht aufgetaut, auch mußte er das Taxi ebenfalls verlassen. Der Chauffeur wollte nicht nach dem Quai zurück. Er hatte genug von der Kälte und fuhr davon. So standen sie denn beide vor der Gittertüre mit den Putten und Delphinen, mit der roten Lampe, die nun erloschen war, und den zwei großen steinernen Sockeln. Archilochos zog an der altertümlichen Vorrichtung. Niemand kam. Der Boulevard war menschenleer, und nur von ferne drangen der Lärm und die Schreie der protestierenden Fahrcks-Anhänger herüber.

«Mein Herr «sagte Archilochos, beunruhigt über seine Verspätung, die Blumen und die Drahtplastik in den Armen,»ich muß Sie nun verlassen.»

Er öffnete entschlossen die Gittertüre, doch folgte Nadelör auch ins Innere des Parks.

Was er denn noch wünsche, fragte Arnolph verärgert, da er den vereisten Kunsthändler nicht los wurde.

Er müsse nach einem Taxi telephonieren, erklärte der Galeriebesitzer.

«Ich kenne die Leute hier nur flüchtig —»

«Sie als Weltkirchenrat —»

«Bitte«, sagte Archilochos,»bitte. Kommen Sie — «Die Kälte war unbarmherzig. Der Kunsthändler klirrte beim Gehen wie ein Glockenspiel. Die Tannen und Ulmen standen bewegungslos, riesige Sterne funkelten am Himmel, rot und gelb, und das silberne Band der Milchstraße. Zwischen den Stämmen leuchteten die Fenster einer Villa in gedämpftem Gold, die eigentlich, da sie näher kamen, ein Rokokoschlößchen war, etwas verschnörkelt, mit schlanken Säulen, alles übersponnen vom Geäst wilden Weins, das man in der klaren Nacht deutlich erkennen konnte. Zum Eingang führte eine sanft geschwungene Treppe. Er war hell erleuchtet und ohne Schild, nur eine schwere Klingel hing herunter, doch öffnete wieder niemand.

Noch eine Minute in dieser Kälte, klagte der Kunsthändler, und er sei erfroren.

Archilochos drückte auf die Klinke. Die Türe war unverschlossen. Er gehe einmal nachschauen, sagte er.

Auch Nadelör kam mit.

«Sind Sie verrückt?«zischte Archilochos.

«Ich kann doch nicht draußen in dieser Kälte…»

«Ich kenne dieses Haus nicht.»

«Sie als Christ…»

«Dann warten Sie hier«, befahl Arnolph.

Sie waren in eine Halle gedrungen. Möbel, die Archilochos an die Wohnung Petit-Paysans erinnerten, Blumen und Spiegelchen, wohlige Wärme überall. Schon begann der Kunsthändler aufzutauen, und kleine Bäche flössen an ihm herunter.

«Stehen Sie nicht auf den Teppich«, herrschte ihn der Weltkirchenrat an, nun doch etwas ängstlich beim Anblick des triefenden Galeriebesitzers.

«Bitte«, sagte der und stellte sich neben den Schirmständer.»Wenn ich nur bald telephonieren darf.»

«Ich werde den Hausherrn benachrichtigen.»

«Möglichst bald.»

«Halten Sie nun wenigstens die Drahtplastik«, schlug Archilochos vor.

«Nur gegen Prozente.»

Arnolph stellte das Kunstwerk neben Nadelör und öffnete eine Türe, blickte in einen kleinen Salon mit einem Sofa, mit einem Teetischchen, mit einem Spinett und zierlichen Sesselchen. Er räusperte sich. Der Salon war leer, doch hörte er hinter einer Flügeltüre Schritte. Offenbar Mister Weeman. Er durchquerte den Salon, klopfte.

«Herein!»

Arnolph fand zu seiner Verwunderung Maître Dutour vor.

Maître Dutour, ein kleiner, beweglicher Mann mit schwarzem Schnurrbart und einer weißen Künstlermähne, stand an einem großen schönen Tisch, in einem Raum mit hohen goldenen Spiegeln, der hell erleuchtet war, von einem Lüster voller Kerzen, der strahlend wie ein Weihnachtsbaum an der Decke hing.

«Ich habe Sie erwartet, Herr Archilochos«, sagte Maître Dutour, sich verbeugend,»darf ich bitten, Platz zu nehmen.»

Er wies dem Weltkirchenrat einen Sessel an und setzte sich ihm gegenüber. Auf dem Tisch war ein Dokument ausgebreitet.

Er begreife nicht, sagte Archilochos.

«Mein lieber Herr Generaldirektor«, lächelte der Advokat,»ich habe das Vergnügen, Ihnen dieses Haus als Geschenk übergeben zu dürfen. Es ist von keiner Hypothek belastet und in vorzüglichem Zustand, außer der Westseite des Daches, die einmal ausgebessert werden sollte.»

Er verstehe nicht, sagte Archilochos, zwar verwundert, aber durch die verschiedenen Glücksfälle nun schon etwas abgehärtet und in Übung.»Würden Sie mir erklären…»

«Der bisherige Eigentümer des Hauses wünscht seinen Namen nicht zu nennen.»

Er sei im Bilde, erklärte Arnolph, es handle sich um Mr. Weeman, um den berühmten Archäologen und Ausgraber griechischer Altertümer, so eines alten Tempels mit kostbaren Standbildern, im Moos versunken, und goldenen Säulen.

Maître Dutour stutzte, starrte Archilochos verwundert an und schüttelte den Kopf. Er dürfe keine Auskunft geben, beteuerte er endlich, der bisherige Eigentümer wünsche, sein Haus in griechischen Händen zu wissen und sei glücklich, in Archilochos einen Mann gefunden zu haben, der diesen Bedingungen entspräche. In der Zeit der Korruption und der Sittenlosigkeit, fuhr er fort, in einer Zeit, in der die unnatürlichsten Verbrechen die natürlichsten zu sein schienen, in der jegliches Rechtsdenken zerfalle und in der männiglich zu den handfesten Faustregeln primitiver Epochen greife, verlöre ein Jurist jegliche Hoffnung, je einen Sinn zu sehen in seinem Bestreben nach Ordnung, nach Gerechtigkeit, wenn nicht hie und da ein Akt der reinsten Nächstenliebe vorzubereiten und durchzuführen wäre wie eben die Übergabe dieses Schlößchens jetzt. Die Dokumente seien bereit, der Herr Generaldirektor habe sie nur flugs durchzulesen und seinen Namen darunterzusetzen. Die vom Staat geforderte Steuer — der Moloch wolle sein Opfer haben — sei ebenfalls bezahlt.

«Danke schön«, sagte Archilochos.

Der Maître las die Dokumente vor, und der Weltkirchenrat setzte seinen Namen darunter.

«Das Schlößchen gehört nun Ihnen«, sagte der Advokat und erhob sich.

Archilochos erhob sich ebenfalls.»Mein Herr«, sagte er feierlich,»lassen Sie mich die Freude ausdrücken, mit einem Manne zusammengekommen zu sein, den ich stets verehrte. Sie verteidigten den armen Hilfsprediger. Nur das Fleisch vergewaltigte den Geist, haben Sie damals ausgerufen, die Seele blieb unbesudelt, ein Wort, das sich mir tief einprägte.»

«O bitte«, meinte Dutour,»ich tat nur meine Pflicht. Leider wurde der Hilfsprediger geköpft, bin noch immer untröstlich darüber, habe ich doch zwölf Jahre Zuchthaus vorgeschlagen, wenn auch das Schlimmste vermieden werden konnte: gehängt wurde er nicht.»

Ob er ihn noch einen Augenblick belästigen dürfe, sagte Archilochos.

Dutour verneigte sich.

«Ich bitte Sie, verehrter Maître, die Papiere zu meiner Heirat vorzubereiten.»

«Sie sind vorbereitet«, antwortete der Advokat,»Ihre liebe Braut hat mich bereits gebeten.»

«O«, rief Arnolph erfreut aus,»Sie kennen meine liebe Braut!»

«Ich hatte das Vergnügen.»

«Ist sie nicht wunderbar?»

«Sehr.»

«Ich bin der glücklichste Mensch der Welt.»

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