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Der Schwarm - Schatzing Frank - Страница 49


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Johanson widmete Lund einen unmissverstandlichen Blick und schuttelte die dargebotene Rechte.

»Ich hatte in der Tat nichts vor«, sagte er.

Lund grinste in sich hinein. Sie stellte ihm die Manner nacheinander vor. Wie Johanson es erwartet hatte, war einer davon aus der Statoil-Zentrale in Stavanger angereist, ein vierschrotiger Bursche mit roten Haaren und hellen, freundlichen Augen. Er fungierte als Reprasentant des Management Boards und gehorte dem Exekutiv komitee an.

»Finn Skaugen«, drohnte er beim Handedruck.

Der dritte Mann, ein ernst dreinblickender Glatzkopf mit scharfen Falten um die Mundwinkel, der als Einziger eine Krawatte trug, erwies sich als Lunds direkter Vorgesetzter. Er hie? Clifford Stone, stammte aus Schottland und war Projektleiter des neuen Explorationsvorhabens. Stone nickte Johanson kuhl zu. Er schien nicht besonders erbaut zu sein von der Anwesenheit des Biologen, aber ebenso gut mochte die personifizierte Sorge Teil seiner naturgewollten Physiognomie sein. Nichts lie? vermuten, dass er jemals lachelte.

Johanson lie? einige Artigkeiten horen, lehnte einen Kaffee ab und setzte sich. Hvistendahl zog einen Packen Papier zu sich heran.

»Kommen wir gleich zur Sache. Die Situation ist Ihnen bekannt. Wir wissen nicht recht einzuschatzen, ob wir gerade im Schlamassel stecken oder uberreagieren. Sie kennen vielleicht einige der Bestimmungen, mit denen sich die Olforderung herumzuschlagen hat?«

»Nordseekonferenz«, sagte Johanson aufs Geratewohl.

Hvistendahl nickte.

»Unter anderem. Wir sind einer ganzen Reihe von Einschrankungen unterworfen, Umweltgesetzgebung, technisch Machbares, aber naturlich gibt es auch eine offentliche Meinung zu nicht reglementierten Punkten.

Kurz gesagt nehmen wir Rucksicht auf alles und jeden. Greenpeace und diverse Organisationen sitzen uns im Nacken wie die Zecken, und das ist in Ordnung so. Wir kennen die Risiken einer Bohrung, wir wissen in etwa, was uns erwartet, wenn wir eine Forderung in Betracht ziehen, und wir kalkulieren ein entsprechendes Timing.«

»Soll hei?en, wir kommen selber ganz gut zurecht«, sagte Stone.

»Im Allgemeinen«, erganzte Hvistendahl. »Nun ja, nicht jedes Unterfangen gelangt zur Durchfuhrung, und das hat dann Grunde, die Sie uberall nachschlagen konnen. Die Sedimentbeschaffenheit ist instabil, wir laufen Gefahr, eine Gasblase anzubohren, bestimmte Konstruktionen eignen sich nicht hinsichtlich Wassertiefe und Stromungsverhalten, all das. Grundsatzlich wissen wir aber recht schnell, was geht und was nicht. Tina testet die Anlagen bei Marintek, wir entnehmen die ublichen Proben, schauen uns da unten um, es gibt eine Expertise, und dann wird gebaut.«

Johanson lehnte sich zuruck und schlug die Beine ubereinander. »Aber diesmal ist der Wurm drin«, sagte er.

Hvistendahl lachelte etwas verkrampft. »Sozusagen.«

»Falls die Viecher irgendeine Rolle spielen«, sagte Stone. »Meines Erachtens spielen sie keine.«

»Woher wollen Sie das wissen?«

»Weil Wurmer nichts Neues sind. Man findet sie uberall.«

»Nicht solche.«

»Wieso? Weil sie Hydrate anknabbern?« Er funkelte Johanson angriffslustig an. »Ja, aber Ihre Freunde aus Kiel sagen, da ware nichts, weswegen wir uns Sorgen machen mussten. Richtig?«

»Das haben sie so nicht gesagt. Sie sagten …«

»Dass die Wurmer das Eis nicht destabilisieren konnen.«

»Sie fressen es an.«

»Aber sie konnen es nicht destabilisieren!«

Skaugen rausperte sich. Es klang wie eine Eruption.

»Ich denke, wir haben Dr. Johanson zu uns gebeten, weil wir seine Einschatzung horen wollen«, sagte er mit einem Seitenblick auf Stone. »Und nicht, um ihm mitzuteilen, was wir denken.«

Stone kaute auf seiner Unterlippe und starrte die Tischplatte an.

»Wenn ich Sigur richtig verstehe, liegen inzwischen weitere Ergebnisse vor«, sagte Lund und lachelte aufmunternd in die Runde.

Johanson nickte. »Ich kann einen kurzen Abriss geben.«

»Schei?viecher«, brummte Stone.

»Moglicherweise. Geomar hat weitere sechs davon aufs Eis gesetzt, und alle haben sich kopfuber hineingebohrt. Zwei andere Exemplare wurden auf eine Sedimentschicht gesetzt, die kein Hydrat enthielt, und sie taten gar nichts. Sie fra?en nichts, und sie bohrten nicht. Weitere zwei setzte man auf Sediment, das zwar kein Hydrat enthielt, aber uber einer Gasblase lag. Sie bohrten nicht, verhielten sich jedoch deutlich unruhiger.«

»Was ist mit denen, die sich ins Eis gefressen haben?«

»Sie sind tot.«

»Und wie tief kamen sie?«

»Bis auf einen haben sich alle zur Gasblase durchgeschlagen.« Johanson sah Stone an, der ihn unter zusammengezogenen Brauen musterte. »Aber das lasst nur bedingt Ruckschlusse auf ihr Verhalten in freier Natur zu.

Am Kontinentalhang sind die Hydratschichten uber den Gasblasen dutzende bis hunderte von Metern dick. Die Schichten im Simulator messen eben mal zwei Meter. Bohrmann schatzt, dass keiner der Wurmer tiefer als drei bis vier Meter kommen wurde, aber das ist unter den gegebenen Umstanden kaum zu verifizieren.«

»Warum sterben die Wurmer eigentlich?«, fragte Hvistendahl.

»Sie brauchen Sauerstoff, und der wird in dem engen Loch knapp.«

»Aber andere Wurmer bohren sich doch auch in Boden«, warf Skaugen ein. Dann fugte er mit einem Grinsen hinzu: »Sie sehen, wir haben uns ein bisschen schlau gemacht, um nicht wie vollkommene Idioten vor Ihnen zu sitzen.«

Johanson grinste zuruck. Skaugen war nach seinem Geschmack. »Solche Tiere wuhlen sich ins Sediment«, sagte er. »Und Sediment ist locker. Darin ist reichlich Sauerstoff vorhanden, und au?erdem grabt kaum ein Tier so tief. Methanhydrat dagegen ist, als ob Sie in Beton vorsto?en. Irgendwann werden Sie ersticken.«

»Verstehe. Sind Ihnen sonst Tiere bekannt, die sich so verhalten?«

»Selbstmordkandidaten?«

»Ist es denn Selbstmord?«

Johanson zuckte die Achseln. »Selbstmord setzt eine Absicht voraus. Wurmer tragen sich nicht mit Absichten. Sie sind auf ihr Verhalten konditioniert.«

»Gibt es uberhaupt Tiere, die Suizid begehen?«

»Klar gibt es Tiere, die so was tun«, sagte Stone. »Die verdammten Lemminge sturzen sich ins Meer.«

»Tun sie nicht«, sagte Lund.

»Naturlich tun sie das!«

Lund legte ihm die Hand auf den Unterarm.

»Du vergleichst Apfel mit Birnen, Clifford. Man hat langere Zeit angenommen, Lemminge begingen kollektiven Suizid, weil es schick klang. Dann hat man sich die Sache nochmal naher angesehen und festgestellt, dass sie einfach bescheuert sind.«

»Bescheuert?« Stone sah Johanson an. »Dr. Johanson, halten Sie es fur eine gangige wissenschaftliche Erklarung, ein Tier als bescheuert zu bezeichnen?«

»Sie sind bescheuert«, fuhr Lund ungeruhrt fort. »Wie auch Menschen bescheuert sind, wenn sie im Pulk auftreten. Die vorderen Lemminge sehen durchaus, dass da eine Klippe ist, aber von hinten wird gedrangelt wie bei einem Popkonzert. Sie schubsen einander so lange ins Meer, bis der Zug zur Ruhe gekommen ist.«

Hvistendahl sagte: »Es gibt schon Tiere, die sich opfern. Altruismus ist das wohl.«

»Ja, aber Altruismus ergibt immer einen Sinn«, erwiderte Johanson. »Bienen nehmen in Kauf, nach dem Stich zu sterben, weil der Stich dem Schutz des Volkes dient, beziehungsweise der Konigin.«

»Es lasst sich also keine irgend geartete Absicht im Verhalten der Wurmer erkennen?«

»Nein.«

»Biologieunterricht«, seufzte Stone. »Du lieber Himmel! Ihr versucht aus diesen Wurmern irgendwelche Monster zu machen, derentwegen man keine Fabrik auf den Meeresboden stellen kann. Das ist albern!«

»Noch was«, sagte Johanson, ohne den Projektleiter zu beachten. »Geomar wurde im Explorationsgebiet gern eigene Forschungen zu dem Thema betreiben. Naturlich im Schulterschluss mit Statoil.«

»Interessant.« Skaugen beugte sich vor. »Wollen sie jemanden schicken?«

»Ein Forschungsschiff. Die Sonne.«

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