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Der Schwarm - Schatzing Frank - Страница 61


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Also Cardero’s.

Sie fuhren in seinem alten Ford zum Hafen und hatten Gluck. Cardero’s machte im Allgemeinen eine fruhzeitige Reservierung erforderlich, aber in einer Ecke war ein Tisch ungebucht geblieben, etwas abseits und damit nach Anawaks Geschmack. Sie nahmen die Spezialitat des Hauses, auf Zedernholz gegrillten Lachs mit Soja, braunem Zucker und Limonen.

»Okay«, sagte Anawak, nachdem die Bedienung gegangen war. »Was haben wir?«

»Nichts au?er Hunger, soweit es mich betrifft.« Delaware zuckte die Achseln. »Ich bin kein bisschen schlauer als zuvor.«

Anawak massierte sein Kinn. »Vielleicht hab ich ja was herausgefunden. Das Video dieser Frau hat mich darauf gebracht.«

»Mein Video.«

»Schon klar«, sagte er spottisch. »Wir verdanken dir alles.«

»Ihr verdankt mir zumindest eine Idee. Was hast du denn herausgefunden?«

»Es hangt mit den identifizierten Walen zusammen. Mir ist aufgefallen, dass ausschlie?lich Transient Orcas an den Attacken beteiligt waren. Kein einziger Resident.«

»Hm.« Sie krauste die Nase. »Stimmt. Von den Residents hat man eigentlich uberhaupt nichts Schlechtes gehort.«

»Eben. In der Johnstone Strait gab es keine Angriffe.

Und da waren Kajaks unterwegs.«

»Also geht die Gefahr von wandernden Tieren aus.«

»Transients und moglicherweise Offshore Orcas. Die identifizierten Buckelwale und der Grauwal sind ebenfalls Wanderer. Alle drei haben den Winter in der Baja California verbracht, das ist sogar dokumentiert. Wir haben die Bilder ihrer Fluken nach Seattle ins Meeresbiologische Institut gemailt. Sie bestatigen, dass die Tiere mehrfach in den letzten Jahren dort gesichtet wurden.«

Delaware sah ihn irritiert an.

»Dass Grau— und Buckelwale wandern, ist aber doch nichts Neues.«

»Nicht alle.«

»Oh. Ich dachte …«

»An dem Tag, als wir nochmal rausfuhren, Shoemaker, Greywolf und ich, ist was Komisches passiert. Ich hatte es fast schon wieder vergessen. Wir mussten die Leute von der Lady Wexham runterkriegen. Das Schiff sank, und au?erdem wurden wir von einer Gruppe Grauwale angegriffen. Ich bin sicher, dass wir definitiv keine Chance mehr hatten, selber mit heiler Haut davonzukommen, geschweige denn jemanden zu retten. — Aber dann tauchten plotzlich zwei Grauwale neben uns auf, die uns nichts taten. Sie lagen einfach nur eine Weile im Wasser, und die anderen zogen sich zuruck.«

»Und das waren Residents?«

»Etwa ein Dutzend Grauwale sind immer vor der Westkuste, das ganze Jahr hindurch. Sie sind zu alt, um noch die strapaziosen Wanderungen anzutreten. Wenn die Herden aus dem Suden eintreffen, werden die Alten wieder aufgenommen, mit Begru?ungsritual und allem Drum und Dran. Einen dieser Residents habe ich erkannt, und er hegte eindeutig keine feindlichen Absichten gegen uns. Im Gegenteil. Ich glaube, wir verdanken den beiden unser Leben.«

»Ich bin sprachlos! Die haben euch beschutzt!«

»Tz, tz, Licia.« Anawak hob die Brauen. »So viel Vermenschlichung aus deinem Munde?«

»Seit drei Tagen glaube ich fast alles.«

»Beschutzt erscheint mir zu dick aufgetragen. Aber ich denke, sie haben die anderen fern gehalten. Sie mochten die Angreifer nicht. Man konnte mit einiger Vorsicht schlussfolgern, dass nur wandernde Tiere betroffen sind. Residents — gleich welcher Art — verhalten sich friedlich. Sie scheinen zu erkennen, dass die anderen nicht mehr ganz richtig im Kopf sind.«

Delaware kratzte mit grublerischem Gesichtsausdruck ihre Nase. »Wurde passen. Ich meine, eine gro?e Anzahl von Tieren verschwindet auf dem Weg von Kalifornien hierher. Auf offener See. Die aggressiven Orcas leben ebenfalls im offenen Pazifik.«

»Eben. Was immer sie verandert hat, wird genau dort zu finden sein. Im tiefen blauen Meer. Weit drau?en.«

»Aber was?«

»Das finden wir schon raus«, sagte John Ford. Er war unvermittelt neben ihnen aufgetaucht, zog einen Stuhl heran und setzte sich. »Und zwar, bevor mich diese Regierungstypen mit ihren standigen Anrufen in den Wahnsinn treiben.«

»Mir ist noch was eingefallen«, sagte Delaware beim Nachtisch. »Die Orcas mogen ja ihren Spa? an der Sache haben, aber die Gro?wale ganz sicher nicht.«

»Wie kommst du darauf?«, fragte Anawak.

»Na ja«, sagte sie mit Backen voller Mousse au Chocolat. »Stell dir vor, du rennst standig irgendwo gegen, um es umzuwerfen. Oder lasst dich auf was drauffallen, was Ecken und Kanten hat. Wie gro? ist die Gefahr, dass du dich selber verletzt?«

»Sie hat Recht«, sagte Ford. »Die Tiere konnten sich verletzt haben. Und kein Tier verletzt sich selber, wenn es nicht der Arterhaltung oder dem Schutz des Nachwuchses dient.« Er nahm seine Brille ab und putzte sie umstandlich. »Sollen wir mal ein bisschen rumspinnen?

Was ware denn, wenn die ganze Aktion ein Protest ist?«

»Wogegen?«

»Walfang.«

»Walproteste gegen Walfang?«, rief Delaware unglaubig.

»Fruher sind Walfanger hin und wieder angegriffen worden«, sagte Ford. »Speziell, wenn sie auf die Kalber aus waren.«

Anawak schuttelte den Kopf. »Das glaubst du selber nicht.«

»War ‘n Versuch.«

»Kein guter. Bis heute ist nicht erwiesen, ob Wale uberhaupt begreifen, was Walfang ist.«

»Du meinst, sie erkennen nicht, dass sie gejagt werden?«, fragte Delaware. »Das ist dummes Zeug.«

Anawak verdrehte die Augen.

»Sie erkennen nicht unbedingt eine Systematik darin. Grindwale stranden immer wieder in denselben Buchten. Auf den Faroern treiben Fischer ganze Herden von ihnen zusammen und hauen wahllos mit Eisenstangen auf sie ein. Regelrechte Massaker. Oder schau nach Japan, nach Futo, wo sie Tummler und Schweinswale abschlachten. Die Tiere wissen seit Generationen, was sie erwartet. Warum kommen die trotzdem immer wieder zuruck?«

»Das ist sicher kein Zeichen sonderlicher Intelligenz«, sagte Ford. »Andererseits werden jahrlich wider besseres Wissen Treibgase verspruht und Regenwalder abgeholzt. Ebenso wenig ein Zeichen besonderer Intelligenz, findet ihr nicht auch?«

Delaware runzelte die Stirn und kratzte den Rest Mousse au Chocolat aus ihrem Teller.

»Stimmt schon«, sagte Anawak nach einer Weile.

»Was?«

»Licias Hinweis, dass sich die Tiere verletzt haben konnten, als sie auf die Boote sprangen oder dagegen. — Ich meine, wenn du plotzlich auf die Idee kommst, Leute abzuknallen, was tust du? Du setzt dich irgendwo hubsch hin, wo du einen guten Uberblick hast, legst an und feuerst. Aber du wirst aufpassen, dass du dir nicht selber dabei in den Fu? ballerst.«

»Es sei denn, du bist beeinflusst.«

»Hypnotisiert.«

»Oder krank. Verwirrt. Sag ich doch. Sie sind verwirrt.«

»Vielleicht Gehirnwasche?«

»Nun hort mal auf zu spinnen.«

Eine Weile sagte niemand etwas. Jeder am Tisch hing seinen Gedanken nach, wahrend der Larmpegel im Cardero’s anstieg. Gesprachsfetzen von Nebentischen drangen heruber. Die Geschehnisse beherrschten die Presse und das offentliche Leben. Jemand stellte lautstark einen Zusammenhang her zwischen den Vorfallen entlang der Kuste und Havarien in asiatischen Gewassern. Vor Japan und in der Malakkastra?e war es in rascher Folge zu einigen der schwersten Schiffskatastrophen der letzten Jahrzehnte gekommen. Man fachsimpelte und tauschte Theorien aus, ohne dass es den Anschein hatte, als lie?en sich die Gaste von alldem sonderlich den Appetit verderben.

»Und wenn es doch an den Giften liegt?«, meinte Anawak schlie?lich. »PCB, der ganze Mist. Wenn irgendwas die Tiere rasend macht?«

»Allenfalls rasend vor Wut«, frotzelte Ford. »Ich sage ja, sie protestieren. Weil die Islander Fangquoten beantragen, die Japaner ihnen zu Leibe rucken, die Norweger sich einen Schei? um die IWC kummern. — Weil selbst die Makah sie wieder jagen wollen. Hey! Das ist es!« Er grinste. »Vermutlich haben sie’s in der Zeitung gelesen.«

»Fur den Leiter des Wissenschaftlichen Beirats bist du irgendwie nicht richtig bei der Sache«, meinte Anawak.

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