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Der Schwarm - Schatzing Frank - Страница 23


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Schlie?lich zog er das Hydrophon wieder an Bord.

Nach einer Weile sah er weit drau?en einige Atemwolken. Dabei blieb es. Ob es ihm passte oder nicht, es wurde Zeit, umzukehren.

Auf halbem Wege nach Tofino stellte er sich vor, wie wohl Touristen auf das Schauspiel reagiert hatten. Wie sie reagieren wurden, wenn es sich wiederholte. Es wurde sich herumsprechen. Davies und seine dressierten Wale.

Sie wurden sich vor Anfragen kaum retten konnen.

Phantastisch!

Wahrend das Zodiac eine Schneise ins glatte Wasser der Bucht riss, durchwanderte sein Blick die umliegenden Walder.

Irgendwie ein bisschen zu phantastisch.

23. Marz

Trondheim, Norwegen

Sigur Johanson wurde aus dem Schlaf gerissen. Es schellte. Er tastete irrtumlich nach dem Wecker, bis ihm klar wurde, dass es das Telefon war. Fluchend und augenreibend richtete er sich auf. Sein Orientierungssinn wollte sich nicht recht einstellen, und er kippte wieder nach hinten. In seinem Schadel drehte sich alles.

Was war los gewesen gestern Abend? Sie waren versackt, er und ein paar Kollegen. Studenten waren auch dabei gewesen. Dabei hatten sie nur zu Abend essen wollen im Havfruen, einem umgebauten Speicher nahe der Garnie Bybru, der alten Stadtbrucke. Im Havfruen gab es kostliche Fischgerichte und einige gute Weine. Einige sehr gute Weine, wie er sich plotzlich erinnerte. Sie hatten am Fenster gesessen und auf den Fluss hinausgesehen mit seinen stromaufwarts gelegenen Piers und kleinen Privatbooten, hatten den Lauf der Nidelva verfolgt, wie sie gemachlich in den nahen Trondheimfjord floss, und auch in ihre Kehlen war einiges geflossen. Jemand hatte angefangen, Witze zu erzahlen. Danach war Johanson mit dem Patron in einen feuchten Keller hinabgestiegen und hatte sich gut gelagerte Schatze zeigen lassen, die der Chef gemeinhin nicht rausruckte.

Das Problem dieses fruhen Morgens schien unter anderem darin zu bestehen, dass er sie am Ende doch rausgeruckt hatte.

Johanson seufzte.

Ich bin sechsundfunfzig, dachte er, wahrend er sich hochstemmte und diesmal aufrecht sitzen blieb. Ich sollte so was nicht mehr tun. Nein, falsch, ich sollte es tun, aber niemand sollte mich so fruh anrufen, nachdem ich es getan habe.

Es schellte weiter. Hartnackig. Unter ubertriebenem Achzen, wie er zugeben musste — zumal niemand anwesend war, es zu horen —, stellte er sich auf die Beine und gelangte taumelig ins Wohnzimmer. Hatte er heute Vorlesung? Der Gedanke traf ihn wie eine Faust. Schrecklich! Grauenhafte Vorstellung, da vorne zu stehen und exakt so alt auszusehen, wie er war, kaum fahig, das Kinn von der Brust zu heben. Er wurde sich mit seinem Hemdkragen und seiner Krawatte unterhalten, sofern seine Zunge es uberhaupt gestattete. Augenblicklich lag sie pelzig in seinem Mund und schien allem abgeneigt, was mit Bewegung und Artikulation einherging.

Als er endlich den Horer abnahm, fiel ihm plotzlich ein, dass Samstag war. Seine Laune besserte sich schlagartig.

»Johanson«, meldete er sich uberraschend klar.

»Mein Gott, brauchst du lange«, sagte Tina Lund.

Johanson verdrehte die Augen und sank in den Fernsehsessel. »Wie viel Uhr ist es?«

»Halb sieben. Warum?«

»Es ist Samstag.«

»Ich wei?, dass Samstag ist. Hast du irgendwas? Du klingst nicht besonders gut.«

»Ich bin auch nicht besonders gut drauf. Was willst du um diese nebenbei gesagt vollig indiskutable Uhrzeit?«

Lund kicherte.

»Ich wollte dich uberreden, raus nach Tyholt zu kommen.«

»Ins Institut? Wozu, um alles in der Welt?«

»Ich dachte, es ware nett, zusammen fruhstucken zu gehen. Kare ist fur ein paar Tage in Trondheim, er wurde sich bestimmt freuen, dich zu sehen.« Sie machte eine kleine Pause. »Au?erdem wollte ich dich was fragen.«

»War mir schon klar. Es sieht dir nicht ahnlich, einfach mit mir fruhstucken zu gehen.«

»Nein, du verstehst mich falsch. Ich wollte deine Meinung zu etwas horen.«

»Zu was?«

»Nicht am Telefon. Kommst du?«

»Gib mir eine Stunde«, sagte Johanson und gahnte, bis er furchtete, seine Kiefer uberdehnt zu haben. »Nein, gib mir zwei. Ich will nochmal zur Uni. Moglicherweise sind weitere Befunde uber deine Wurmer eingetroffen.«

»Das ware gut. Ist das nicht irre? Erst war ich es, die alle verruckt gemacht hat, jetzt ist es umgekehrt. Okay, lass dir Zeit, aber mach schnell.«

»Zu Befehl«, murmelte Johanson.

Er schlich, immer noch von Schwindelanfallen gepackt, unter die Dusche. Nach einer halben Stunde ausgiebigen Plantschens und Prustens fuhlte er sich allmahlich frischer. Einen wirklichen Kater hatten die Weine nicht hinterlassen. Es war mehr, als hatten sie seiner Sensorik zugesetzt. Vor dem Spiegel schien er sich kurzfristig zu verdoppeln. Es war fraglich, ob er in diesem Zustand Auto fahren konnte.

Er wurde es eben ausprobieren.

Drau?en war es sonnig und warm. Die Kirkegata prasentierte sich nahezu menschenleer. Im fruhen Licht erstrahlten die Farben der Hauser und das erste Grun der Baume ungewohnlich intensiv. Trondheim schien sich einer Generalprobe fur den Fruhling zu unterziehen. Im ungewohnlich schonen Wetter war der restliche Schnee geschmolzen. Johanson stellte fest, dass ihm dieser Tag ausnehmend gut gefiel. Plotzlich gefiel ihm sogar der Umstand, dass Lund ihn geweckt hatte. Er begann Vivaldi zu pfeifen, weil das die unvermittelt hereingebrochene gute Laune noch verbesserte und keine gro?en Anspruche an Geist und Physis stellte, wahrend er den Jeep den Gloshaugen hinaufsteuerte. An Wochenenden war die NTNU offiziell geschlossen, aber daran hielt sich so gut wie niemand. Genau genommen war es die beste Zeit, seine Post und E-Mails zu sichten und ungestort zu arbeiten.

Johanson betrat die Poststelle, durchstoberte sein Fach und zog ein dickes Kuvert hervor. Der Brief kam vom Frankfurter Senckenberg-Museum. Mit einiger Sicherheit enthielt er den labortechnischen Befund, auf den Lund so sehnsuchtig wartete. Er steckte ihn ein, ohne ihn zu offnen, verlie? die Uni wieder und fuhr nach Tyholt.

Marintek, das Marinetechnische Institut, war eng verwoben mit der NTNU, Sintef und dem Statoil-Forschungszentrum. Neben diversen Simulationstanks und Wellentunneln lag hier das gro?te zu Forschungszwecken genutzte Meerwasserbecken der Welt. Wind und Wellen wurden in Modellskalen simuliert. So ziemlich jede gro?ere schwimmende Produktionseinrichtung auf dem norwegischen Sockel war in dem achtzig Meter langen und zehn Meter tiefen Becken erprobt worden. Zwei Wellenerzeugungssysteme schufen Stromungen und Sturme im Miniaturformat mit bis zu ein Meter hohen Wogen, die aus dem Sichtwinkel einer Modellplattform verheerende Ausma?e annahmen. Johanson schatzte, dass Lund hier auch die Unterwasserfabrik testete, die am Kontinentalhang entstehen sollte.

Tatsachlich fand er sie in der Bassinhalle, wo sie mit einer Gruppe Wissenschaftler zusammenstand und debattierte. Die Szenerie mutete skurril an. Im grunen Wasser schwammen Taucher zwischen Bohrplattformen im Spielzeugformat hindurch. Minitanker kreuzten zwischen Fachpersonal in Ruderbooten. Das Ganze war augenscheinlich eine Mischung aus Labor, Spielzeuggeschaft und sommerlicher Kahnpartie, aber der Eindruck tauschte. Ohne den Segen Marinteks fand im Offshore-Bereich so gut wie gar nichts statt.

Lund sah ihn und brach ihre Unterhaltung ab. Sie kam zu ihm heruber, wobei sie das Becken umrunden musste. Wie ublich erledigte sie den Gang im Laufschritt.

»Warum hast du nicht einen der Kahne genommen?«, fragte Johanson.

»Wir sind hier nicht auf dem Weiher«, erwiderte sie. »Das muss alles koordiniert sein. Wenn ich da durchrausche, verlieren hunderte Olarbeiter ihr Leben durch Flutwellen, und ich bin schuld.«

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